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Mit rotem Kopf und etwas verlegen, aber auch verletzt setzte sich Andie wieder ins Geschworenenzimmer. Ein paar Minuten später wurde die Tür zum Gerichtssaal erneut geöffnet, und kurz darauf sollte sie herausfinden, was die Gerichtsdienerin gemeint hatte.
Sharon Ann schob ihren Kopf herein. »Wir sind noch nicht ganz so weit.« Mit dem Finger bedeutete sie Andie aufzustehen. »Ms. DeGrasse …«
Ein Schauer lief Andies Rücken hinab.»Würden Sie bitte mitkommen? Ihre Sachen können
Sie mitnehmen.«
Andie erhob sich langsam und warf zum Abschied einen Blick in die
Runde. Sie war fertig hier!
Sie folgte Sharon Ann in den Gerichtssaal, in dem zwar völlige
Stille herrschte, der aber zu ihrer Überraschung gerammelt voll
war. Alle Augen schienen auf sie gerichtet zu sein. Jetzt war ihr
die Situation wirklich peinlich, als ließe man sie in aller
Öffentlichkeit ins Büro des Chefs führen, der sie feuern wollte –
nur weil sie ihre Meinung gesagt hatte.
Sharon Ann ging mit ihr durch eine Seitentür hinter dem
Richtertisch. Ein Marshal bewachte den Flur. Sharon Ann wedelte
kurz mit der Hand. »Gehen Sie rein. Sie erwartet Sie.«
Andie betrat ein großes Büro voller Bücher. Richterin Seiderman
blickte hinter ihrem mit Papieren übersäten Schreibtisch
auf.
»Ms. DeGrasse.« Sie blickte über den Rand ihrer Lesebrille hinweg.
»Ich habe gehört. Ihre Nervosität scheint Ihnen die Zunge zu
lockern.«
»Bitte?«
»Sie haben Probleme damit, den Mund zu halten, oder?« Die Richterin
blickte sie streng an. »Während der Auswahl mag es ja noch spaßig
gewesen sein, aber jetzt … jetzt stehen wir kurz vor dem Beginn
eines wichtigen Prozesses, nicht einer Theateraufführung. Ich kann
mir unter den Geschworenen keine Unruhestifter leisten.«
Andie ließ sich nicht unterkriegen. »Wenn Sie davon reden, was ich
da drin gesagt habe, denke ich, das war eine berechtigte
Frage.«
»Was, Ms. DeGrasse?« Richterin Seiderman blickte ungeduldig
auf.
»Jeder hat bei der Auswahl unsere Namen gehört. Und wo wir wohnen.
Ob wir verheiratet sind oder nicht. Oder Kinder haben. Jeder mit
gesundem Menschenverstand würde sich Sorgen machen. Die Leute
stellen Fragen.«
»Die Leute?« Die Richterin zog die Augenbrauen hoch.
»Ich weiß nicht … meine Schwester, meine Mutter. Als ich ihnen
erzählt habe, dass ich bei dem Fall dabei bin. Das kann Sie doch
nicht wirklich überraschen.«
»Warum wir uns für welche Art und Weise entscheiden, diesen Prozess
zu führen, ist allein Sache des Gerichts, Ms. DeGrasse. Sie
brauchen nur zu wissen, dass wir die Ersten gewesen wären, die sich
Sorgen gemacht hätten, wären wir davon ausgegangen, dass auch nur
annähernd eine Gefahr bestanden hätte.« Richterin Seiderman lehnte
sich zurück und griff zu einem Formular und einem Stift. »Sie
wollten schon von Anfang an nicht dabei sein, oder?«
»Ja, letzte Woche vielleicht, aber …«
»Aber was? Ich bin dabei, Ihnen Ihren Wunsch zu
erfüllen.«
Andies Herz legte einen Zahn zu. Letzte Woche hätte sie alles
getan, um diese Worte zu hören. Aber im Lauf der Woche hatte sie
ihre Meinung geändert. Sie sah den Fall mittlerweile als Chance,
etwas Anständiges zu tun, etwas Gutes. Bisher hatte sie nicht viel
unternommen, um Menschen zu helfen. Hatte weder beim Militär noch
im Friedenskorps gedient. Nur selten ehrenamtlich in der Gemeinde
gearbeitet. Eigentlich hatte sie nur Jarrod – das war’s. Und im
Lauf der Woche war ihr all das bewusst geworden.
»Es stimmt. Das hatte ich gedacht«, meinte Andie. »Aber wie dem
auch sei, ich bin heute Morgen hergekommen, um meine Pflicht zu
tun.«
Die Richterin unterbrach ihren Schreibfluss und blickte leicht
überrascht über das, was sie gehört hatte, zu Andie auf.
»Sie glauben, Sie können für die Arbeit des Gerichts einen
positiven Beitrag leisten, Ms. DeGrasse? Ohne Schwierigkeiten zu
machen?«
Andie nickte. »Ja, wenn Sie mich wieder reingehen lassen, glaube
ich, dass ich das kann.«
Gott, Andie, du hättest nur dein Maul halten müssen, und schon
wärst du draußen.
Richterin Seiderman legte den Kugelschreiber zur Seite und blickte
Andie lange und abschätzend an. »Okay, warum nicht? Es ist Ihr
Recht, Ihre Pflicht zu tun.« Die Richterin rief ihre
Gerichtsdienerin. »Ms. Moran, würden Sie bitte die Geschworene
Nummer elf zurück ins Geschworenenzimmer bringen?«
»Danke, Euer Ehren.« Andie lächelte.
Auf dem Weg zurück zum Gerichtssaal hielt Sharon Ann ihr die Tür
auf. »Ich bin wirklich überrascht, dass Sie noch dabei
sind.«
»Ja.« Andie schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann sind wir schon zu
zweit.«