11

Mit rotem Kopf und etwas verlegen, aber auch verletzt setzte sich Andie wieder ins Geschworenenzimmer. Ein paar Minuten später wurde die Tür zum Gerichtssaal erneut geöffnet, und kurz darauf sollte sie herausfinden, was die Gerichtsdienerin gemeint hatte.

Sharon Ann schob ihren Kopf herein. »Wir sind noch nicht ganz so weit.« Mit dem Finger bedeutete sie Andie aufzustehen. »Ms. DeGrasse …«

Ein Schauer lief Andies Rücken hinab.

»Würden Sie bitte mitkommen? Ihre Sachen können Sie mitnehmen.«
Andie erhob sich langsam und warf zum Abschied einen Blick in die Runde. Sie war fertig hier!
Sie folgte Sharon Ann in den Gerichtssaal, in dem zwar völlige Stille herrschte, der aber zu ihrer Überraschung gerammelt voll war. Alle Augen schienen auf sie gerichtet zu sein. Jetzt war ihr die Situation wirklich peinlich, als ließe man sie in aller Öffentlichkeit ins Büro des Chefs führen, der sie feuern wollte – nur weil sie ihre Meinung gesagt hatte.
Sharon Ann ging mit ihr durch eine Seitentür hinter dem Richtertisch. Ein Marshal bewachte den Flur. Sharon Ann wedelte kurz mit der Hand. »Gehen Sie rein. Sie erwartet Sie.«
Andie betrat ein großes Büro voller Bücher. Richterin Seiderman blickte hinter ihrem mit Papieren übersäten Schreibtisch auf.
»Ms. DeGrasse.« Sie blickte über den Rand ihrer Lesebrille hinweg. »Ich habe gehört. Ihre Nervosität scheint Ihnen die Zunge zu lockern.«
»Bitte?«
»Sie haben Probleme damit, den Mund zu halten, oder?« Die Richterin blickte sie streng an. »Während der Auswahl mag es ja noch spaßig gewesen sein, aber jetzt … jetzt stehen wir kurz vor dem Beginn eines wichtigen Prozesses, nicht einer Theateraufführung. Ich kann mir unter den Geschworenen keine Unruhestifter leisten.«
Andie ließ sich nicht unterkriegen. »Wenn Sie davon reden, was ich da drin gesagt habe, denke ich, das war eine berechtigte Frage.«
»Was, Ms. DeGrasse?« Richterin Seiderman blickte ungeduldig auf.
»Jeder hat bei der Auswahl unsere Namen gehört. Und wo wir wohnen. Ob wir verheiratet sind oder nicht. Oder Kinder haben. Jeder mit gesundem Menschenverstand würde sich Sorgen machen. Die Leute stellen Fragen.«
»Die Leute?« Die Richterin zog die Augenbrauen hoch.
»Ich weiß nicht … meine Schwester, meine Mutter. Als ich ihnen erzählt habe, dass ich bei dem Fall dabei bin. Das kann Sie doch nicht wirklich überraschen.«
»Warum wir uns für welche Art und Weise entscheiden, diesen Prozess zu führen, ist allein Sache des Gerichts, Ms. DeGrasse. Sie brauchen nur zu wissen, dass wir die Ersten gewesen wären, die sich Sorgen gemacht hätten, wären wir davon ausgegangen, dass auch nur annähernd eine Gefahr bestanden hätte.« Richterin Seiderman lehnte sich zurück und griff zu einem Formular und einem Stift. »Sie wollten schon von Anfang an nicht dabei sein, oder?«
»Ja, letzte Woche vielleicht, aber …«
»Aber was? Ich bin dabei, Ihnen Ihren Wunsch zu erfüllen.«
Andies Herz legte einen Zahn zu. Letzte Woche hätte sie alles getan, um diese Worte zu hören. Aber im Lauf der Woche hatte sie ihre Meinung geändert. Sie sah den Fall mittlerweile als Chance, etwas Anständiges zu tun, etwas Gutes. Bisher hatte sie nicht viel unternommen, um Menschen zu helfen. Hatte weder beim Militär noch im Friedenskorps gedient. Nur selten ehrenamtlich in der Gemeinde gearbeitet. Eigentlich hatte sie nur Jarrod – das war’s. Und im Lauf der Woche war ihr all das bewusst geworden.
»Es stimmt. Das hatte ich gedacht«, meinte Andie. »Aber wie dem auch sei, ich bin heute Morgen hergekommen, um meine Pflicht zu tun.«
Die Richterin unterbrach ihren Schreibfluss und blickte leicht überrascht über das, was sie gehört hatte, zu Andie auf.
»Sie glauben, Sie können für die Arbeit des Gerichts einen positiven Beitrag leisten, Ms. DeGrasse? Ohne Schwierigkeiten zu machen?«
Andie nickte. »Ja, wenn Sie mich wieder reingehen lassen, glaube ich, dass ich das kann.«
Gott, Andie, du hättest nur dein Maul halten müssen, und schon wärst du draußen.
Richterin Seiderman legte den Kugelschreiber zur Seite und blickte Andie lange und abschätzend an. »Okay, warum nicht? Es ist Ihr Recht, Ihre Pflicht zu tun.« Die Richterin rief ihre Gerichtsdienerin. »Ms. Moran, würden Sie bitte die Geschworene Nummer elf zurück ins Geschworenenzimmer bringen?«
»Danke, Euer Ehren.« Andie lächelte.
Auf dem Weg zurück zum Gerichtssaal hielt Sharon Ann ihr die Tür auf. »Ich bin wirklich überrascht, dass Sie noch dabei sind.«
»Ja.« Andie schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann sind wir schon zu zweit.«

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